In seiner sieben Jahrzehnte andauernden Karriere hat sich der 1927 in Puna geborene Architekt und Stadtplaner Balkrishna Doshi auf leistbaren Wohnraum, Gemeinsinn und naturnahes Bauen konzentriert.
Für sein Wirken wurde ihm 2018 als erstem indischen Architekten der Pritzker Preis, die wichtigste Auszeichnung für Architektur, verliehen.
Bis zu seiner Auszeichnung ist der in vielerlei Hinsicht revolutionäre Avantgarde-Architekt im Westen nicht so bekannt geworden wie ihm eigentlich zustünde, obwohl er zu Beginn seiner Karriere für Le Corbusier und später auch mit Louis Kahn und Kenzo Tange arbeitete.
Dabei sind laut Architekturzentrum Wien – Direktorin Angelika Fitz „seine Arbeiten extrem relevant, vom kostengünstigen Wohnbau bis zu ökologischen Lösungen wie natürlicher Ventilation. Für ihn geht es darum, wie man Gemeinschaft bauen kann. Auch in den multiplen Krisen, die wir im Moment erleben, gibt uns Doshi aktuelle und gültige Antworten. Er hat gezeigt, dass Architektur ein Teil des Lebens ist.“
Seine Ideen zu einer Architektur für den Menschen sind nun in der ihm gewidmeten Ausstellung im AzW zu besichtigen. Ursprünglich hätte diese am 26. März beginnen sollen. Nun wird sie Covid-bedingt in Wien noch einen Monat zu sehen sein, bevor sie nach Chicago weiterzieht.
Kuratiert von seiner Enkelin Khushnu Panthaki Hoof und Jolanthe Kugler, ist die Ausstellung ein Projekt des Vitra Design Museums und der Wüstenrot Stiftung in Kooperation mit der Vastushilpa Foundation. Vastushilpa (Sanskrit für “Umwelt gestalten”), so nannte Doshi sein eigenes Architekturbüro, das er 1956 gründete.
Die Schau im AzW zeigt vier Hauptkapitel: Bildungsbauten, wie etwa die von ihm gegründete Architekturschule, institutionelle Projekte, sozialen Wohnbau sowie sein städteplanerisches Schaffen.
Die Abwechslung von Gebäudeansichten, Plänen, Entwürfen, Filmen und Fotografien sowie kleinen und großen Modellen ermöglicht eine eingehende Gesamtschau auf das Wirken Doshis. Sein eigenes, nach seiner Frau Kamala benanntes Wohnhaus ist zum Teil im 1:1 Maßstab nachgebaut, auch der organisch anmutende Kuppelbau der Galerie Gufa (1990) ist im Maßstab 1:2 begehbar.
Seine Bauten arbeiten mit natürlicher Belüftung und nutzen traditionelle Methoden stromloser Kühlung, wie bei seinem 1980 erbauten Büro „Sangath“ („Gemeinsam handeln“), in dessen Tonnengewölbe er Tonröhren einbauen liess, die mit Regenwasser gefüllt werden und so das Haus kühlen.
Zu sehen ist auch ein Modell der Wohnsiedlung im zentralindischen Aranya (1989), die preiswertes Wohnen durch Selbstgestaltung ermöglichen sollte. An einkommensschwache Familien wurden jeweils 30 Quadratmeter großen Einzelparzellen in einer Regierungslotterie verlost. Das Grundmodul, Sanitäranlagen, Kanalanschluss und Strom waren bereitgestellt, die Häuser konnten danach von den Bewohnern mit Modulen nach eigenen Wünschen erweitert werden. Dafür gab es einen Formenkatalog und 60 Musterhäuser zur Auswahl. Dass es so gelang, ein organisch gestaltete, dörfliche Einheit zu bilden, zeigen die über die folgenden Jahre entstandenen Fotografien.
Für Doshi, der in der westindischen Stadt Ahmedabad lebt, ist das Leben ständig im Fluss, er selbst wuchs in einer Großfamilie auf, wo es ständige Veränderungen der Lebensumstände gab. Somit muss für ihn Architektur für den Menschen auch etwas Organisches, Flexibles und Naturnahes sein, und nichts Statisches, von oben Verordnetes.
Eine vielgestaltige low-tech Architektur, die alle Sinne anspricht und die Ermöglichung von Wohlergehen und Zusammenleben in Szene setzt. (Text: Cem Angeli)
Die Ausstellung läuft bis 29.6.2020 im Architekturzentrum Wien, Di – So 11h – 19h